Schon Kinder werden zu Öko-Jakobinern ausgebildet…

KOLUMNE der WELT AM SONNTAG – 16.06.2019

Schon Kinder werden zu Öko-Jakobinern ausgebildet…

So geht Erziehung heute: Kinder machen in der Schule ihren Klimaführerschein und erklären dann ihren Eltern zu Hause vorm Kühlschrank, wie sie klima-korrekt einkaufen. Unser Autor fragt sich, wohin das führen soll.

Von Henryk M. Broder

Philip möchte wissen, „woher das Obst und Gemüse“ kommt. Der Drittklässler ist „auf der Suche nach Klimasünden“, daheim in der elterlichen Wohnung, und führt eine „Kühlschrankkontrolle“ durch.

Als Erstes greift er nach einer Gurke, schaut auf den Sticker und stellt fest: „Die ist aus Deutschland!“ – „Ist das gut?“, will Philips Mutter wissen. „Ja“, sagt Philip und legt die Gurke zurück. Denn er weiß, „dass lange Transporte doof für das Klima sind“. Wie aber verhält es sich mit den Möhren?

Philip dreht den Plastikbeutel hin und her und kann das Herkunftsland nicht finden. „Israel“, souffliert Philips Mutter aus dem Hintergrund. „Nicht so gut“, sagt Philip, denn Möhren, die einen so langen Weg zurücklegen müssen, sind schlecht für das Klima. Wie Philip „sind jetzt alle (in seiner Klasse) Umweltschützer“.

Ein gleichaltriges Mädchen sagt, sie „versuche ein bisschen mehr mit dem Roller zur Schule zu kommen als mit dem Auto“. Alle Kinder, sagt die Lehrerin, haben einen „Klimaführerschein“, eine kleine Checkkarte, „die im Portemonnaie mitgeführt werden“ soll, und wenn die Kinder jemand sehen, „der Müll in den Park wirft“, dann sollen sie auf die Person zugehen, sich ausweisen und sagen: „Hallo, ich bin ein Klimabotschafter und möchte dich bitten, deinen Müll wegzuräumen.“ So geht Erziehung heute.

Wer in der DDR zur Schule gegangen ist, kann sich noch an die Jungen Pioniere erinnern, die ebenfalls einen erzieherischen Auftrag hatten, nämlich den, Antennen abzuschrauben und umzuknicken, mit denen man und frau Westfernsehen empfangen konnte.

Auch das war eine Art „Umweltschutz“. Heute ist die ganze Welt vom Untergang bedroht, und da wir keinen zweiten Planeten haben, auf den wir ausweichen könnten, steht Umweltschutz auf der To-do-Liste ganz oben.

Ein Öko-Jakobinertum füllt die Lücken, die der freudlose Protestantismus hinterlassen hat. Entsagung und Verzicht geben dem Leben wieder einen Sinn. Nicht nur Alkohol und Tabak ruinieren die Volksgesundheit, Fett, Salz, Zucker und Fleisch tun es auch.

Der Übergang von der Wegwerf- in eine Verbotsgesellschaft vollzieht sich schleichend. „Der Klimawandel ist eine Schicksalsfrage für die Menschheit“, sagt die Kanzlerin. Na denn …